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Strukturbildung und Selbstorganisation auf der Nanometer-Skala

Nanodraht-Arrays aus Kupfer durch selbstorganisierte galvanische Abscheidung

Sheng Zhong, Thomas Koch, Stefan Walheim, Eberhard Nold, Torsten Scherer, Horst Hahn, Forschungszentrum Karlsruhe
Mu Wang, Universität Nanjing, China, National Laboratory of Solid-State-Microstructures
Thomas Schimmel, Universität Karlsruhe, CFN und Forschungszentrum Karlsruhe

Einführung

In der Mikroelektronik besteht zunehmender Bedarf an Herstellungsverfahren für nanoskalige Leiterbahnen. Dabei spielen insbesondere bei der Chipfertigung elektrochemische Prozesse eine zentrale Rolle. Durch das hier vorgestellte Verfahren können durch Selbstorganisation elektrochemisch ausgedehnte Arrays von Nanodrähten hergestellt werden.

In einem neuen Verfahren wachsen Nano-Leiterbahnen bei geeigneter Wahl der Prozessparameter in regelmäßigem Abstand auf eine isolierende Unterlage auf (Bild 1). Von großem Vorteil ist dabei neben der Langlebigkeit der Strukturen u.a. die gefundene hohe Kristallinität der Drähte als Voraussetzung für einen minimalen elektrischen Widerstand.

Bild 1: REM-Aufnahme eines Nanodraht-Arrays aus Kupfer, Drahtbreite ca. 600 nm, Drahthöhe
ca. 200 nm

Konventionelle Prozesse

Kupfer und Silber werden aufgrund ihrer hohen thermischen und elektrischen Leitfähigkeit bei hoch integrierten Chips für den Bau von Leiterbahnen verwendet, u.a. mittels galvanischer Verfahren, weil diese einfach implementierbar und kostengünstig sind. Dabei werden die als Leiterbahnen vorgesehenen Bereiche lithographisch freigestellt und anschließend durch galvanische Abscheidung aufgefüllt und zur vollständigen Kontaktierung stark überwachsen. Der darauf folgende Schleifprozess, der das überschüssige Kupfer (oft mehr als 50%) entfernt, ist prozesstechnisch problematisch und mit für die üblichen hohen Ausschuss quoten verantwortlich. Ideal wäre deshalb ein gerichtetes, zweidimensionales Wachstum, welches die Kontakte direkt und ohne überschüssiges Material verbindet. Vor diesem Hintergrund beschäftigen wir uns mit der Untersuchung von Mechanismen des selbstorganisierten, orientierten Wachstums zweidimensionaler Nanodraht-Arrays, die galvanisch in einer ultradünnen Elektrolytschicht auf Oberflächen abgeschieden werden.

Selbstorganisation

Im Experiment wird zunächst eine schwach konzentrierte wässrige CuSO4-Elektrolytlösung in eine flache elektrochemische Zelle eingebracht, die aus zwei Glasplatten und zwei parallelen Kupferdrähten besteht (Bild 2a). Dann wird der Elektrolyt von der Unterseite her eingefroren. Aufgrund der Segregation bleibt an der wärmeren oberen Deckplatte ein hochkonzentrierter, sehr dünner flüssiger Elektrolytfilm übrig. Die Dicke dieser Schicht kann durch die Temperatur der elektrochemischen Zelle genau eingestellt werden. Nun wird ein Potential zwischen den beiden Drähten angelegt, und die Cu-Strukturen scheiden sich innerhalb der Elektrolytschicht, beginnend an der Kathode und in Richtung Anode wachsend, auf der Glasoberfl äche ab (Bild 2b). Bereits innerhalb weniger Sekunden bis Minuten (abhängig von den Abscheideparametern) hat die Reaktionsfront die elektrochemische Zelle durchlaufen und die Abscheidung ist abgeschlossen. Nach der Deposition wird die Zelle aufgewärmt (Bild 2c), und die am Deckglas adsorbierten, abgeschiedenen Arrays von Leiterbahnen können mit dem Deckglas abgenommen und anschließend unkompliziert weiterverarbeitet werden.

Bild 2: Ablaufschema des Verfahrens: (a) Einfrieren einer schwachen Elektrolytlösung, es bleibt eine hochkonzentrierte Elektrolytschicht zwischen Eis und Glasplatte. (b) Das Anlegen eines Potentials führt, beginnend von der Kathode, zu einer gerichteten Kupfer-Deposition zwischen den Elektroden. (c) Nach der Deposition wird die Zelle aufgewärmt und das Eis geschmolzen. (d) Arrays mit voneinander getrennten Nanodrähten. (e) Struktur der in sich verbundenen Nanodraht-Arrays

Ergebnisse

Bild 3 zeigt rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen (REM) der so hergestellten Leiterbahnen. Es handelt sich hier um Nanodraht-Arrays mit Drahtdurchmessern im Bereich von 100 nm und darunter. Die Drähte verlaufen dabei parallel zu den Elektroden, also senkrecht zur Ausbreitungsrichtung der Wachstumsfront. Die selbstorganisierte Entstehung der Nanodrähte in gleichmäßigem Abstand lässt sich wie folgt erklären: Durch die Art der Abscheidung bilden sich Konzentrationsgradienten vor der Wachstumsfront aus, die das lokale Potential stark beeinflussen und zu einer Automodulation des lokalen Potentials an der Wachstumsfront führen. Da die Potentiale für die galvanische Abscheidung von Kupfer (Cu) und Kupferoxid (CuO) eng beieinander liegen, kann eine solche Modulation das elektrochemische System zwischen der Abscheidung von Cu und der Abscheidung von CuO hin- und herschalten. Dies führt dazu, dass in den Bereichen der Maxima der Struktur Cu abgeschieden wird und in den Bereichen der Minima der Struktur CuO.

Bild 3: REM-Aufnahme einer Kupferstruktur, bestehend aus ca. 40 nm dünnen CuO-umhüllten Cu-Drähten, die über isolierende CuO-Brücken zusammengewachsen sind

Die Wellenlänge dieser Instabilität, die den Drahtabstand vorgibt, sowie die Höhe der Schicht und damit der Drahtdurchmesser können durch den pHWert, das Abscheidepotential und den Abscheidestrom beeinflusst werden [1,2]. Durch nachfolgende Oxidation unter Umgebungsbedingungen lassen sich die abgeschiedenen Kupferstrukturen nach Beendigung der Abscheidung rasch mit einer etwa 10 nm dicken passivierenden Oxidschicht bedecken, die danach langzeitstabil ist, wie unsere Untersuchungen über viele Monate hinweg gezeigt haben [2].

Der resultierende Querschnitt der Struktur ist in Bild 2e veranschaulicht. In der wellenförmigen Struktur wechseln Cu-reiche Regionen (Leiterbahnen als Cu-„Wellenberge“) mit CuO-reichen Regionen (isolierende Trennschichten als CuO-„Wellentäler“). Die Schichtdicke in den Wellentälern kann so dünn eingestellt werden, dass die Drähte bei mechanischen Belastungen der Struktur an der dünnen Stelle voneinander abgetrennt werden können oder gleich als weitgehend separierte isolierte Drähte auf der Oberfläche vorliegen (siehe Bild 1 und 2d). Bei höherer Filmdicke im Wellental bildet sich ein Film mit voneinander getrennten, hochreinen, kristallinen Cu-Drähten (Durchmesser ca. 40 nm), die in eine passivierende, isolierende CuO-Schicht von ca. 10 - 20 nm Dicke eingebettet sind (Bild 3 und 2e). Einzelne, zwischen den Leiterbahnen beobachtbare nanoskalige Inseln bestehen aus CuO. Sie bilden sich im Anschluss an den Abscheideprozess und beeinflussen die elektrischen Eigenschaften der Flachbandstruktur nicht.

Diese Kupferstrukturen, die im Aufbau einem Flachbandkabel entsprechen, wurden von uns mit Transmissionselektronenmikroskopie (TEM), Scanning Auger Mikroskopie (SAES) und mit Elektrostatischer Kraftmikroskopie ausführlich untersucht. Die Ergebnisse daraus [2] liefern uns die Informationen über den detaillierten Aufbau und die Zusammensetzung der Strukturen aus Bild 2e. Auch die richtungsabhängige Vermessung der makroskopischen elektrischen Leitfähigkeit dieser Proben zeigt eine starke Anisotropie: eine hohe Leitfähigkeit parallel zu den Drähten sowie Isolation zwischen den einzelnen Drähten.

Zusammenfassung

Die gezeigten Resultate eröffnen neue Perspektiven für das kontrollierte gerichtete Wachstum von Kupfer-Leiterbahnen auf isolierenden Substraten. Die erzielte hohe Kristallinität des Kupfers erlaubt die Herstellung nanoskaliger Leiterbahnen mit einer niedrigen Konzentration von Streuzentren und damit einhergehend niedrigem elektrischem Widerstand. Schließlich zeigen die Ergebnisse, wie sich durch Selbstorganisation in dünnen Elektrolytfilmen periodische Nanodraht-Strukturen abscheiden lassen, wobei durch Oxidbildung auch die Herstellung nahe benachbarter und zugleich gegeneinander isolierter nanoskaliger Leiterbahnen möglich wird.

Literaturhinweise

  1. S. Zhong et al., Phys. Rev. E 2003, 67, 61607
  2. S. Zhong, Th. Koch, M. Wang, Th. Schimmel, in Nanoscale Phenomena – Fundamentals and Applications, eds: H. Hahn, A. Sidorenko, I. Tiginyanu, Shaker Verlag Aachen, 2008