Elektronik am Limit: Atomare Transistoren
Gefördert durch die
Atomare Elektronik: Mit einzelnen Atomen elektrische Ströme
schalten
Thomas Schimmel und Fangqing Xie
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Einführung
Während sich in der konventionellen Mikroelektronik zunehmend Grenzen
der Miniaturisierung abzeichnen, wird in der Forschung weltweit längst
an neuartigen Konzepten gearbeitet. Dabei wird auch über kleinste
elektronische Bauelemente auf der Basis einzelner Moleküle oder Atome
nachgedacht. Während diese von verschiedenen Arbeitsgruppen als elektrische
Leiter und Widerstände eingesetzt werden konnten, fehlte bislang auf
der atomaren Skala jeglicher Ansatz für aktive Bauelemente wie Transistoren.
Mit einem neuartigen Verfahren ist es uns erstmals gelungen, elektronische
Schaltelemente auf atomarer Skala zu realisieren. Durch das gezielte Umlagern
eines einzigen Silber-Atoms in einem winzigen metallischen Kontakt lässt
sich ein elektrischer Stromkreis kontrolliert öffnen und schließen.
Solche atomaren Relais bzw. Einzelatom-Transistoren werden durch ein elektrisches
Kontroll-Potential gesteuert, das an eine unabhängige dritte Elektrode,
die Gate-Elektrode, angelegt wird. Die Bauelemente funktionieren reproduzierbar
bei Raumtemperatur und eröffnen faszinierende Perspektiven für
die Quantenelektronik und für atomare Logik-Schaltungen.
Motivation
Unsere gesamte Computer- und Informationstechnologie beruht letztlich
auf der einfachen Fähigkeit, einen Strom von A nach B durch eine Spannung
an einer unabhängigen dritten Elektrode C schalten zu können.
Die Verfügbarkeit eines entsprechenden Bauteils, eines Transistors,
ist die hinreichende Voraussetzung zum Aufbau beliebig komplizierter logischer
Schaltungen in der heute üblichen Digitalelektronik bis hin zu den
Prozessoren in Computern.
Das Konzept eines atomaren Schaltelementes
Die Grundidee bei der Realisierung des atomaren Schalters ist in Bild
1 gezeigt. Auf einem Träger beispielsweise aus Glas oder Silizium
werden zwei winzige Goldelektroden aufgebracht, zwischen denen sich eine
ca. 50–100 nm breite Lücke befindet. Eine solche Struktur lässt
sich noch mühelos mit konventionellen Methoden herstellen. Nun wird
an den sich gegenüberstehenden Enden der Goldelektroden aus einem
Elektrolyten galvanisch Silber abgeschieden, bis sich die beiden Silberkontakte
an einem Atom berühren. Gelingt es nun, dieses eine kontaktierende
Atom gezielt zwischen zwei definierten Positionen hin- und herzuschalten,
so lässt sich der Stromkreis mithilfe dieses atomaren Relais gezielt öffnen
und schließen
Bild 1: Funktionsprinzip des atomaren Schalters,
der bei Raumtemperatur realisiert werden konnte: Durch das Umklappen der Position eines einzelnen Metall-Atoms
wird ein elektrischer Stromkreis geschlossen (links) und geöffnet
(rechts). Beim Einzelatom-Transistor wird die Position dieses Atoms über
die Spannung an einer unabhängigen dritten Elektrode kontrolliert
Voraussetzung für die zuverlässige Funktion eines solchen
atomaren Relais ist die Herstellung einer atomaren Bistabilität.
Das kontaktierende Atom muss zwei stabile Positionen kennen: eine, bei
der der Stromkreis geöffnet ist, und eine, bei der er geschlossen
ist. Zur gezielten Herstellung einer solchen Bistabilität wurde
in Karlsruhe ein spezielles elektrochemisches Zyklisierungsverfahren
entwickelt. Ist der bistabile atomare Kontakt erst einmal hergestellt,
so genügt eine kleine Potentialänderung an einer benachbarten,
separaten Kontroll-Elektrode, der sog.
»Gate«-Elektrode, um den Kontakt zwischen beiden Positionen
hin- und her zu schalten. Mit dem Gate-Potential lässt sich also der
Stromkreis zwischen den beiden Kontakten “Source“ und “Drain“ gezielt
öffnen und schließen. Damit ist erstmals die Funktion eines
Transistors auf atomarer Skala realisiert.
Atomare Transistoren als quantenelektronische Bauelemente
Ein wesentlicher Aspekt eines derartigen Einzelatom-Transistors ist,
dass der Leitwert zwischen Source und Drain im eingeschalteten Zustand
keine beliebigen Werte annimmt, sondern durch die Gesetze der Quantenmechanik
präzise festgelegt ist. Er beträgt G0 = 2e2/h, wobei e die
Elementarladung und h das Planck´sche Wirkungsquantum ist. Es handelt
sich beim atomaren Transistor also um ein quantenelektronisches Bauelement
bei Raumtemperatur. Bild 2 illustriert diese Funktion. Während das
obere Diagramm (blau) jeweils das an die Gate-Elektrode angelegte Kontroll-
Potential UG als Funktion der Zeit darstellt, zeigt das untere Diagramm
(rot) jeweils den entsprechenden Verlauf des Source- Drain-Leitwertes
sSD.
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Bild 2: Messkurven am Einzelatom-
Transistor
im Betrieb bei Raumtemperatur:
Während das obere Diagramm (blau)
jeweils das an die Gate-Elektrode angelegte
Kontroll-Potential UG als Funktion der
Zeit darstellt, zeigt das untere Diagramm
(rot) jeweils den entsprechenden Verlauf
des Source-Drain-Leitwertes σSD |
Messkurve für einen atomaren
Quantenschalter mit 3 G0 als Leitwert im
eingeschalteten Zustand. Hier ist auch die
zusätzliche Möglichkeit gezeigt, mit dem
atomaren Schalter Information zu speichern.
Legt man das Potential UG auf einen
Zwischenwert (»Hold«-Potential, s. Pfeile
im oberen Diagramm), so verbleibt der atomare
Schalter in dem Zustand, in dem er
sich gerade befindet (unteres Diagramm) |
Das Zyklisierungsverfahren erlaubt es auch, gezielt atomare Transistoren
mit vorherbestimmten höheren Leitwerten herzustellen. Auch hier
handelt es sich um quantenelektronische Bauelemente, deren Leitwert im
geschlossenen Zustand jeweils ein ganzzahliges Vielfaches des Leitwertquantums
G0 = 2e2/h beträgt. Bild 3 zeigt ein Beispiel für 3 G0 als
Leitwert im eingeschalteten Zustand. Hier ist auch die zusätzliche
Möglichkeit der Informationsspeicherung gezeigt. Legt man das Potential
UG an der Gate-Elektrode auf einen Zwischenwert (»Hold«-Potential,
s. Pfeile in Bild 3 oben), so verbleibt der atomare Schalter in dem Zustand,
in dem er sich gerade befindet.
Perspektiven
Obwohl es sich hier noch um eine sehr neue Entwicklung handelt, lassen
sich schon jetzt einige grundsätzliche Vorteile quantenelektronischer
Systeme auf Basis atomarer Transistoren identifizieren:
- Da die kontaktierenden Atome die einzigen beweglichen Teile sind, öffnen
sich Perspektiven für logische Bauelemente bei ultrahohen Frequenzen,
die fundamental erst bei Frequenzen im THz-Bereich begrenzt sind – Frequenzen,
wie sie mit konventionellen Ansätzen nicht erzielbar sind.
- Da es sich erstmalig um Ganzmetall- Transistoren ohne Bandlücke
handelt, bei denen das Schalten auf einem völlig anderen Prinzip
als bei konventionellen Halbleiter-Transistoren beruht, ist ein Schalten
und damit die Durchführung logischer Operationen bereits mit Spannungen
im Millivolt-Bereich möglich, was – zusammen mit der geringen
Kapazität des Bauteils durch die kleinen Abmessungen – erlaubt,
den Energieverbrauch je logischer Operation um mehrere Größenordnungen
abzusenken.
- Da es sich um echte Quantenbauelemente handelt, sind die Leitwerte
für die logische »Null« und »Eins« eindeutig
festgelegt. Die Gefahr unerwünschter Zwischenwerte wird aufgrund
der Quantisierung grundsätzlich vermieden.
- Entscheidend für eine mögliche technische Anwendbarkeit ist
die Schnittstelle zwischen atomarer Elektronik einerseits und der »Makrowelt« konventioneller
Elektronik andererseits. Hier hat man den Vorteil, dass bereits ein einziges
Leitwertquant einen Wert von G0 = 2e2/h = 1/(12,9 kW) besitzt. Dies bedeutet,
dass man mit dem Strom durch ein einzelnes Transistor-Atom mühelos
einen Leistungs-Operationsverstärker ansteuern und damit z.B. elektrische
Geräte, Lampen etc. schalten kann.
Zusammenfassung
Atomare Transistoren eröffnen als erste aktive elektronische Bauelemente
auf atomarer Skala interessante Perspektiven für künftige
Entwicklungen in Richtung atomarer Elektronik und maßgeschneiderter
quantenelektronischer Systeme (»Quantum System Engineering«)
bei Raumtemperatur
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Patent
-
Thomas Schimmel, Fangqing Xie, Christian Obermair.
Gate-Controlled Atomic Switch, Patent No.: US 8,138,522 B2, Date of Patent: Mar. 20, 2012.